Widerstand in Athen: Eine Reise in die verdrängte Geschichte

Rotexer:innen berichten

Warum sprechen wir eigentlich so wenig darüber, wie die Zeit des Nationalsozialismus im
Ausland erlebt wurde, zum Beispiel in Griechenland? Während wir in Deutschland viel über
unsere eigene Vergangenheit lernen, bleibt oft im Dunkeln, was in Ländern wie Griechenland
geschehen ist. Wer war beteiligt? Was passierte mit den Menschen in Athen? Und was
können wir daraus heute noch lernen?

Im Rahmen des Projekts „Resistance Travels“ vom Spielraum TPZ in Braunschweig, in
Zusammenarbeit mit der griechischen Organisation „Fabrika“ und gefördert durch eine
Stiftung, bin ich gemeinsam mit anderen jungen Menschen genau diesen Fragen
nachgegangen. Vom 6. bis 11. April 2025 reisten wir in die griechische Hauptstadt Athen. Mit
offenen Augen für Geschichte und Gegenwart suchten wir nach Zeichen des Widerstands
und nach den Geschichten, die oft vergessen werden.

Bereits vorab begannen wir mit digitalen Treffen, in denen wir über eigene Vorstellungen von
Widerstand nachdachten. Vor Ort erwartete uns eine intensive Woche: Mit Workshops,
Stadtführungen und persönlichen Begegnungen tauchten wir tief in die Geschichte ein.

Wir besuchten Orte wie die Korai 4, einst ein Folterkeller der Gestapo und die Merlin-Street,
wo sich das SS-Hauptquartier befand. Heute wirken beide Gebäude unscheinbar; man läuft
daran vorbei, ohne zu ahnen, was dort einmal passiert ist. Und genau das macht sie so
eindrücklich: Hinter den stillen Fassaden fanden systematische Folter, Verhöre und Morde
statt. Die letzten Worte der Gefangenen, eingeritzt in die Wände, sind bis heute sichtbar und
erinnern daran, was hier geschehen ist.

Auch in anderen Teilen der Stadt stießen wir auf Spuren von Widerstand; nicht nur aus der
Zeit des Nationalsozialismus, sondern auch aus späteren Jahrzehnten. In Exarchia, einem
Athener Viertel mit antifaschistischer Geschichte, erfuhren wir mehr über den mutigen
Protest von Studierenden gegen die rechtsextreme Militärdiktatur der 1970er-Jahre, ein
Aufstand, der mit Panzern brutal niedergeschlagen wurde.

Doch das Projekt blickte nicht nur in die Vergangenheit; Auch der heutige Widerstand spielte
eine große Rolle. Besonders im Kopf geblieben ist mir unser Besuch an der Technischen
Universität von Athen, damals das Zentrum der Proteste. Auch heute spürt man dort noch,
dass der Widerstand weiterlebt: Überall sind Graffiti, antifaschistische Botschaften und
aktuelle Protestaufrufe zu sehen. Besonders beeindruckt hat mich ein riesiges Wandbild des
Rappers Killah P, der 2013 von Rechtsextremen ermordet wurde. Es steht sinnbildlich für den
fortdauernden Widerstand gegen Faschismus und Rechtsextremismus, für die politische
Kraft von Kunst und Musik und dafür, wie wichtig es ist, an die Opfer rechter Gewalt zu
erinnern und Haltung zu zeigen.

In kreativen Workshops und Reflexionseinheiten setzten wir uns intensiv damit auseinander,
was wir erlebt haben und was Widerstand für uns persönlich bedeutet.
Ein Theaterstück über Sophie Scholl und die Weiße Rose, aufgeführt von der griechischen
Gruppe Fabrika, brachte uns schließlich zurück zu unserer deutschen Geschichte. Es machte
deutlich, wie wichtig es ist, mutig zu sein. Auch heute.

Diese Reise hat mir gezeigt: Geschichte ist nicht nur das, was in Büchern steht. Sie lebt in
Orten, in Menschen, in uns selbst. Und Widerstand beginnt oft im Kleinen: In der
Entscheidung, nicht wegzusehen. In der Frage, wie ich heute leben und handeln möchte.
Und vielleicht bedeutet Reisen manchmal auch, nicht nur schöne Orte zu entdecken, sondern
die Augen zu öffnen, für das, was war und für das, was auch heute noch relevant ist.

~ Sarah-Sophie Schütze , D1800